Den Hetzern kein Forum bieten
Unter dieser
Überschrift veröffentlichte der Chefredakteur der Goslarschen Zeitung, Jörg
Kleine, einen Kommentar am 01.02.2020 in der GZ und begann mit folgender Einleitung:
„Nein, da liegt bei einer offenbar wachsenden Schar von Menschen ein großes
Missverständnis vor: Die im Grundgesetz fixierte Meinungsfreiheit bedeutet
nicht, dass jeder alles, was ihm im Kopf herumgeht, auch sagen darf – am besten
auch nicht im stillen Kämmerlein zu Hause, aber schon gar nicht auf
öffentlichen Plattformen. Meinungsfreiheit endet dort, wo die Freiheit und die
Menschenwürde anderer angegriffen werden, wo es diskriminierend wird,
beleidigend, wo es immer stärker auch um Hass und Hetze geht. Und am Ende
leider ebenso um eine Atmosphäre, die zu Brutalität und Mord führen“.
Herr Kleine bat seine Leser, ihm ihre Meinung zu seinem Kommentar zu schreiben. Ich habe nach einiger Zeit mal wieder einen Artikel der GZ kommentiert und ihm geschrieben. Hier meine Antwort:
Sehr geehrter Herr Kleine.
Auch wenn ich das Handeln der GZ nachvollziehen kann, dazu folgende grundsätzliche Anmerkungen:
Sehr geehrter Herr Kleine.
Auch wenn ich das Handeln der GZ nachvollziehen kann, dazu folgende grundsätzliche Anmerkungen:
Um kein
Missverständnis aufkommen zu lassen: Natürlich können alle (privaten) Medien,
ob Print- oder elektronisch, für sich entscheiden, welche Statements sie in
welcher Form von den Usern bzw. Lesern auf den von ihnen bereitgestellten
Plattformen abdrucken und dulden wollen.
Aber sie können
sich dabei nicht auf das Grundgesetz, sondern nur auf straf-, privat-, und gegebenenfalls
medienrechtliche Gesetze stützen. Und sie tun natürlich gut daran, sparsam und
ausgewogen mit dem Weglassen und Löschen insbesondere missliebiger
Meinungsäußerungen auf den eröffneten Foren umzugehen, um ihre Leserschaft
nicht zu verprellen.
Aber es liegt
offenbar bei einer wachsenden Schar von Journalisten ein großes Missverständnis
über den Wirkmechanismus von Grundrechten vor. Medien und Journalisten können
sich nicht auf die Verletzung von Grundrechten bzw. das Grundgesetz berufen. Grundrechte
sind Abwehr- und Schutzrechte der Bürger gegen Übergriffe staatlicher Institutionen und nicht etwa dazu da, den Staat oder gar die Medien vor unbequemen, kritischen oder aufmüpfigen Bürgern zu schützen. Staatliche Organe müssen die Grundrechte der Bürger achten und nicht umgekehrt. Deshalb heißt es
auch im Art.1 Abs.3 Grundgesetz: „Die nachfolgenden Grundrechte binden
Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes
Recht“.
Von Bürgern, die
die Grundrechte einzuhalten haben, ist dort nicht die Rede. Diese haben sich an
die Einhaltung der aufgrund des Grundgesetzes erlassenen Gesetze zu halten. Ob
sie diese Gesetze verletzen oder nicht, haben Juristen zu prüfen und Gerichte
zu entscheiden, nicht aber Journalisten und solche, die sich dafür halten (wobei
das Urteil in Sachen Künast natürlich mehr als dubios ist).
Auch mit dem
Angriff auf die Menschenwürde verhält es sich etwas anders, als vielfach
öffentlich propagiert. Ja, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz schützt die Würde des
Menschen und bezeichnet sie als unantastbar. Aber es folgt ein Zweiter Satz,
der besagt: „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt“. Es ist also Aufgabe staatlicher Institutionen, die Würde der Menschen zu achten und zu schützen und nicht
von Journalisten.
Da sich das deutsche Volk zu den unverletzlichen Menschenrechten
als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft bekennt (Art.1 Abs.2 GG) lässt sich
daraus die Frage ableiten, ob die Menschen gegenseitig ihre Würde zu achten
haben. Ja. In einer funktionierenden Gesellschaft, ist das unbedingt
erforderlich. Aber das ist kein strafrechtliches Problem, sondern eine Frage
von Anstand, Sitte und Moral und damit einer breiten Palette individueller
Anschauungen.
Erst wenn die
Missachtung der Würde des Gegenüber strafrechtliche Grenzen der (persönlichen)
Beleidigung, Verleumdung, Üblen Nachrede oder Volksverhetzung etc. überschreitet,
ist eine strafrechtliche Verfolgung geboten. Aber darüber entscheiden, wie
schon gesagt, Juristen und Gerichte und keine selbsternannten Tugendwächter.
Und nun zur
„Freien Meinungsäußerung“.
Art 5 Abs. 1 GG: „Jeder
hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
verbreiten.... Abs.2: Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften
der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend
und in dem Recht der persönlichen Ehre.“
Auch dieses ist
ein Schutzrecht des Bürgers vor staatlichen Eingriffen und Zensur, nicht aber
ein Schutzrecht von Medien vor kritischen oder unliebsamen Kommentaren, sofern
diese nicht gesetzliche Bestimmungen im vorstehenden Sinne, insbesondere die
persönliche Ehre eines Einzelnen, verletzen.
In obiger
Einleitung wird zur Meinungsfreiheit einiges vermischt. Natürlich kann jeder
das, was ihm im Kopf herumgeht, und sei es der größte „Blödsinn“, auch sagen
und schreiben, sogar öffentlich und auf Plattformen, vorausgesetzt, er denkt
vorher darüber nach, wie er es sagt und schreibt.
Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 12. Mai 2009 klargestellt, dass die durch Art.5 GG geschützte freie Meinungsäußerung durch die subjektive Einstellung des sich Äußerden gekennzeichnet ist. Sie enthält regelmäßig Urteile über Sachverhalte, Ideen oder Personen. Dazu zählt unter Umständen auch eine inkriminierende Äußerung wie ein Staatsanwalt sei „durchgeknallt“, auch wenn sie als ehrverletzend empfunden wird.
Ein durchgeknallter Journalist schrieb... (keine Beleidigung da erlaubte Schmähkritik)
Der durchgeknallte Journalist XY hat seinen Beruf verfehlt, weil er schreibt.... (Beleidigung, da persönliche Diffamierung)
Allerdings verfügen immer weniger Menschen aus bildungspolitischen Gründen über die Fähigkeit, sich dementsprechend zu artikulieren und sich bei unsinnigen, kritischen oder auch abwertenden Positionen so auszudrücken, dass sie sich eventuell moralisch, aber nicht rechtlich angreifbar machen. Wahrscheinlich wäre es angebracht, dieses bei der Einordnung von Beiträgen stärker zu berücksichtigen, ohne bei kleinlicher Auslegung weniger Geübte von Diskussionen auszuschließen.
Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 12. Mai 2009 klargestellt, dass die durch Art.5 GG geschützte freie Meinungsäußerung durch die subjektive Einstellung des sich Äußerden gekennzeichnet ist. Sie enthält regelmäßig Urteile über Sachverhalte, Ideen oder Personen. Dazu zählt unter Umständen auch eine inkriminierende Äußerung wie ein Staatsanwalt sei „durchgeknallt“, auch wenn sie als ehrverletzend empfunden wird.
Eine Aussage, die polemisch oder
verletzend formuliert ist, fällt auch dann unter das Recht der freien
Meinungsäußerung, solange diese nicht für private Auseinandersetzungen
missbraucht, sondern in erster Linie sachbezogen zu öffentlich berührenden
Fragen geäußert wird.
In der öffentlichen Auseinandersetzung, insbesondere im politischen
Meinungskampf, müsse daher auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter
und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung
oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohe.
Fazit:Ein durchgeknallter Journalist schrieb... (keine Beleidigung da erlaubte Schmähkritik)
Der durchgeknallte Journalist XY hat seinen Beruf verfehlt, weil er schreibt.... (Beleidigung, da persönliche Diffamierung)
Allerdings verfügen immer weniger Menschen aus bildungspolitischen Gründen über die Fähigkeit, sich dementsprechend zu artikulieren und sich bei unsinnigen, kritischen oder auch abwertenden Positionen so auszudrücken, dass sie sich eventuell moralisch, aber nicht rechtlich angreifbar machen. Wahrscheinlich wäre es angebracht, dieses bei der Einordnung von Beiträgen stärker zu berücksichtigen, ohne bei kleinlicher Auslegung weniger Geübte von Diskussionen auszuschließen.
Wenn man die
Kommentar-Foren und Blogs der E-Medien verfolgt, kann man verstehen, dass viele
Journalisten der praktizierten Form kritischer Meinungsäußerungen ablehnend begegnen.
Ihnen geht zunehmend das früher so angenehme Meinungsmonopol verloren. Wie
sagte doch Petra Gerster bedauernd in den ZDF-HEUTE-NACHRICHTEN: "Sich
öffentlich zu äußern. das war früher Politikern und Journalisten vorbehalten.
Heute kann das jeder über die sozialen Medien“. Ja, zum Glück. Früher konnte man lediglich Leserbriefe
schreiben, die erst in Redaktionen selektiv bewertet, ausgewählt und dann entweder (häufig erst nach Tagen) gedruckt, gekürzt oder gar
nicht veröffentlicht wurden. Heute geht das auf Knopfdruck und das führt in den
Medienhäusern zunehmend zu Nervosität.
Deswegen scheint
es sich unter Medienschaffenden eingebürgert zu haben, bei jeder sich bietenden
Gelegenheit die "Populismus-" oder „Nazikeule“ zu schwingen oder missliebige Äußerungen mit dem Totschlagargument
von „Hass und Hetze“ abzubügeln und dabei zu unterstellen, dass einige
Meinungsäußerungen geeignet sein könnten, eine Atmosphäre zu schaffen, die zu
Brutalität und Mord führen.
Dabei wird leider übersehen, dass genau derartige Unterstellungen zu einer Vergiftung einer Atmosphäre beitragen können.
Dabei wird leider übersehen, dass genau derartige Unterstellungen zu einer Vergiftung einer Atmosphäre beitragen können.
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