Freitag, 18. November 2011

Sammler statt Jäger

Wie eine Sicherheitsbehörde total überschätzt wird

Man kann nur staunen wie blauäugig fassungslos Medienvertreter aller Couleur über die Arbeit, Fehler, Versäumnisse und das Versagen der Verfassungsschutzbehörden in Deutschland berichten. Es scheint mir, dass ihr Wissen oder besser gesagt Empfinden eher von Agentenfilmen a la James Bond als von Fakten geprägt wird.
   Keine Sicherheitsbehörde  in Deutschland wird bezüglich ihrer Möglichkeit, Fähigkeit und Effizienz dermaßen überschätzt wie der Verfassungsschutz.
   Dabei kann sich jeder, insbesondere der interessierte Journalist, durch einen Blick in die jedermann zugänglichen Verfassungsschutzgesetze  und jährlichen Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder über Aufgaben und Möglichkeiten eines Verfassungsschutzes informieren.
   In Niedersachsen sieht das zum Beispiel so aus:
Der Verfassungsschutz verfügt über 253 Mitarbeiter. Das sind etwa so viele wie bei der Polizeiinspektion Goslar !
Die sollen landesweit
  • ·         Ausländerextremismus
  • ·         Rechtsextremismus
  • ·         Linksextremismus
bekämpfen
  • ·         die Scientology-Organisation überwachen
  • ·         Spionageabwehr betreiben
  • ·         und zum Geheim- und Wirtschaftsschutz beitragen
Laut Verfassungsschutzgesetz sollen sie dazu
„zur Erfüllung ihrer Aufgaben relevante Informationen überwiegend aus offen zugänglichen Quellen, die grundsätzlich jedem Bürger auch zur Verfügung stehen, wie z. B. aus dem Internet, aus Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern, Programmen und Broschüren gewinnen. Darüber hinaus können – im Rahmen gesetzlich festgelegter Befugnisse und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – nachrichtendienstliche Mittel zur Informationsbeschaffung eingesetzt werden“.
   Davon haben sie laut Verfassungsschutzbericht 2010 umfangreich Gebrauch gemacht  und folglich überwiegend in Zeitungen, Zeitschriften, dem Internet und sonstigen Publikationen nach für sie wichtig erscheinenden Informationen gestöbert. Sie haben abgeschottet und im eigenen Saft schmorend unzählige Berichte über ihre Erkenntnisse geschrieben, sind dabei möglichst wenig konkret geworden, meistens unbestimmt geblieben und haben häufig  Banales von sich gegeben. Darüber hinaus haben sie 34.500 sog. Mitwirkungsanfragen und 36.617 Sicherheitsüberprüfungen bearbeitet.
   Ach ja, : „von den nachrichtendienstlichen Mitteln wurden im Wesentlichen V-Leute, verdeckte Bildaufzeichnungen, verdeckte Ermittlungen und Befragungen sowie zeitlich befristete Observationen eingesetzt“
   "Im Wesentlichen V-Leute... " Also mehr oder weniger dubiose Figuren, die mehr oder weniger stichhaltiges Insiderwissen verkaufen, damit Geld verdienen, niemandem verpflichtet sind und deren Informationen arbeitsaufwendig mehrfach gegengecheckt und auf Stichhaltigkeit und Plausibilität überprüft werden müssen. V-Leute in diesem Milieu sind gesinnungstreu. Sie berichten nur, was sie wollen und nicht was sie wissen. Und wenn man Geld damit verdienen kann, dann liefern sie alle möglichen Informationen und wenn sie keine haben, dann eben auch....
   Bei der Art der Aufgabenwahrnehmung wird deutlich, dass höchstens eine Handvoll Mitarbeiter zur Verfügung stehen, die sich dem Staat verpflichtet  fühlen und verdeckt auftreten. Wobei ich bezweifle, dass sie dann im klassischen Sinne ermitteln. Es ist wohl mehr eine verdeckte Befragung. Und ob sie auch observieren? Rund um die Uhr? Bei der Personallage?
   Wenn man weiß, dass die Polizei einen aus Sicherheitsverwahrung entlassenen Straftäter rund um die Uhr mit 14 Beamten observieren muss, dann kann es sich bei Verfassungsschutzobservationen wirklich nur um zeitlich äußerst begrenzte Aktionen handeln.
   Aus allem wird deutlich: Verfassungsschützer können nur an den Schreibtisch gebundene Sammler und nur in Ausnahmefällen operativ agierende Jäger sein. Dass sie mit Schlapphut auf dem Kopf hinter jedem Extremisten stehen können und über jeden seiner Schritte umfangreich informiert sind, können nur Blauäugige erwarten, die auch annehmen, Zitronenfalter würden Zitronen falten!

1 Kommentar:

  1. Hallo,
    zum letzten Absatz bleibt nur anzumerken: Genau das ist die Aufgabe des Verfassungsschutzes. Ihr Auftrag besteht im SAMMELN und AUSWERTEN von Informationen und Informieren der Behörden und nicht in der Strafverfolgung.
    Dies ist hauptsächlich eine Aufgabe der Polizei.

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