Donnerstag, 12. April 2012

Rekordzahl an Strafen für Hartz-IV-Empfänger

Unter obiger Headline berichten alle Medien über die Meldung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über gestiegene Sanktionen, die gegen Hartz-IV-Empfänger im letzten Jahr verhängt werden mussten. Auch die GZ übernahm die Meldung.
Und schon stehen die Beschwichtigter und die Beschöniger auf der Matte.
   Wenn man die Kommentare über die Sanktionen in den verschieden Medien liest, wird offensichtlich, wie sich viele bemühen, das Problem klein zu reden. Nach dem Motto: Alles nicht so schlimm. Meistens Bagatellen ! Die Sprecherin der Linksfraktion, Katja Kipping holte gleich die ganz große Keule raus: "Die Sanktionen im Hartz-IV-System sind verfassungswidrig und müssen umgehend abgeschafft werden", betonte sie. „Jede Leistungskürzung verletze das Grundrecht des Betroffenen auf Existenzsicherung und gesellschaftliche Teilhabe“.
   Laut BA wurden 912.377 Verstöße festgestellt. Hier die veröffentlichten Zahlen:
  • Demnach wurden im vergangenen Jahr in 582.253 Fällen Strafen verhängt, weil die Hartz-Empfänger Meldefristen nicht eingehalten haben, also z. B. trotz Einladung nicht beim Jobcenter erschienen. 
  • In 147.435 Fällen gab es Sanktionen, weil die Arbeitslosen gegen Pflichten der Eingliederungsvereinbarung verstießen. 
  • 138.312 mal wurden Strafen verhängt, weil die Betroffenen die Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung oder Weiterbildung verweigerten
  •  In 177.500 Fällen wurden Straf- oder Bußgeldverfahren wegen Missbrauchs eingeleitet 
Nun beginnt die Beschwichtigung:
  • „Die überwiegende Zahl der erwerbsfähigen Leistungsbezieher (Anm.: das sind 4.500.342) macht mit, engagiert sich und will in Arbeit kommen. Sanktionen treffen nur einen Bruchteil der Langzeitarbeitslosen“, so die BA. 
  • Das seien nur 3 % aller erwerbsfähigen Leistungsbezieher (Anm.: das wären 135.010) „Nur 15 % (Anm.: der Sanktionen?) resultierten aus der Weigerung, eine Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme  anzutreten oder weiterzumachen“. 
  • Ullrich Schneider von Paritätischen Wohlfahrtsverband: „Hier wird ohne jede empirische Grundlage auf unverantwortliche Weise ein Bild der schmarotzenden Masse geschürt, das mit der Realität nichts zu tun hat. Hier geht es nicht um mutwilligen Missbrauch, sondern um ganz alltägliche Versäumnisse wie beispielsweise das Vergessen eines Termins“.
  • Auch der DGB und Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der BA und SPD-Mitglied, warnen vor pauschalen Diffamierungen. „Rund 97 % der Hartz-IV-Empfänger verhalten sich vollkommen Regelkonform“, unterstrich Alt.
Also alles halb so wild.? Wirklich? Wenn man obige Zahlen sieht, merkt man sofort, irgendetwas kann nicht stimmen.
   Von den Zahlen können ja nur erwerbsfähige Leistungsbezieher betroffen sein. Das sind 4.500.342 Personen. Wenn sich davon laut Heinrich Alt 97 % regelkonform verhielten, dann gäbe es 3 % Sanktionierte, macht 135.010 erwerbsfähige Personen.
Und diese sollen:
  • In 582.253 Fällen Meldefristen versäumt haben ? 
  • In 147.435 Fällen gegen Pflichten der Eingliederungsvereinbarung verstoßen haben ? 
  • In 138.312 Fällen die Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung oder Weiterbildung verweigert haben ? 
  • Zusätzlich in 177.500 Fällen Leistungsmissbrauch betrieben haben ?
Das wären insgesamt 1.045.518 Fälle, wobei demnach jeder Sanktionierte im Schnitt ca. 8 Fälle zu verantworten hätte.
    Oder will Alt nur die wahre Anzahl der Betroffenen kaschieren und herunterspielen, wenn er von 3 % der Hartz-IV-Empfänger spricht, zu denen auch Kinder, Alte, Kranke und sonstige Erwerbsunfähige zählen. Denn das wären   ca. 6,7 Mio. in Deutschland. Davon 3 % ergäbe 201.000 Betroffene, von denen dann jeder „nur“ noch ca. 5 Fälle zu verantworten hätte.
   Der aufmerksame Medienkonsument muss sich doch veralbert vorkommen. Und bezeichnend ist, dass alle Redaktionen die Zahlen unreflektiert nachdrucken, ohne diese kritisch zu hinterfragen.
    Vielleicht ist es ja so, dass die 1,05 Mio. Fälle  wegen wahrscheinlicher Mehrfachbetroffener von, sagen wir mal, ca. 900.000 zu verantworten wären, das wären dann 20 % aller erwerbsfähigen  Leistungsempfänger ! Nur ein Bruchteil der Arbeitslosen ? Nein, eine ganz andere Größenordnung, deren Offenlegung allerdings Gutmenschen nicht ins Kalkül passen würde und politisch völlig unkorrekt wäre !
    Was ist richtig, was ist falsch ? Hier greift wieder die Studie von Gerd Bosbach „Lügen mit Zahlen“ oder Winston Churchills Feststellung, nur der Statistik zu glauben, die man selbst gefälscht hat.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen